Wissenswertes über Jiu Jitsu

Wie in vielen der asiatischen Kampfkünste ist die genaue Herkunft des Jiu Jitsu heute kaum mehr eindeutig feststellbar. Dies liegt zum einen daran, dass es in der Vergangenheit nur wenige gedruckte Bücher über die Kunst gab und dass die handgeschriebenen Manuskripte der verschiedenen Schulen einander widersprechen und von Mythen durchsetzt sind. Die Gründungsgeschichten der verschiedenen Schulen scheinen davon geprägt zu sein, dass sie Jiu Jitsu auf möglichst legendäre Wurzeln zurückführen.

 

In einem der Entstehungsmythen wird das Grundprinzip des Jiu Jitsu „Nachgeben, um zu siegen“ besonders deutlich. Darin heißt es, dass Akiyama Shirobei Yoshitoki (ein im 16. Jahrhundert in Nagasaki lebender Arzt) auf seiner Studienreise durch China in Klöstern neben medizinischem Wissen auch Unterricht im waffenlosen Nahkampf (chinesisch 白打 báidǎ, jap. Hakuda) erhielt.

Dabei stellte er die körperliche Stärke als Voraussetzung zur Ausführung der Techniken fest. Zurück in Japan, unterrichtete Akiyama das aus China mitgebrachte Hakuda, doch viele seiner Lehrlinge wandten sich von diesem kraftbetonten System ab.

 Eines Winters beobachtete Akiyama, wie die massiven, jedoch starren Äste einer Kiefer unter der Last herunterkommender Schneemassen brachen, während sich die dünnen Äste einer daneben stehenden Weide unter der Last des Schnees so lange herunterbogen, bis der Schnee abglitt, um sich dann unversehrt wieder aufzurichten. Inspiriert von dieser Beobachtung, gründete er die erste Schule der „Kunst der Nachgiebigkeit“ und nannte sie Yoshin-Ryū (Weiden-Schule)

 

Die geistig-philosophische Seite, wie beispielsweise der Verhaltenskodex Bushidō, ist genau so Teil des Jiu Jitsu, wie die verschiedenen (Kampf-)Techniken. Ebenso gehen traditionelle Elemente wie die Verbeugung am Anfang und das Üben der Katas Hand in Hand mit fortschrittlicheren Elementen, wie zum Beispiel die Gürtelgrade (Kyū und Dan).

 

Innerhalb des Systems Jiu Jitsu erlernt ein Schüler zunächst die Grundschule (jap. Kihon), bestehend aus Schlag-, Stoß-, Tritt- und Beintechniken, sowie die Fallschule (受け身, Ukemi) als Voraussetzung für ein verletzungsarmes Training.

Weiter wird die Anwendung von Würfen, Hebeln und Festlegetechniken sowie waffenlose Verteidigungstechniken gegen Angriffe gegen die eigene Person und auch gegen Dritte (wie beispielsweise gegen Würgen, Handgelenk- und Kragenfassen, Schlag-, Tritt- und Waffenangriffe) und Bodenkampf unterrichtet. Auch die allgemeine Fitness wird durch intensives Konditionstraining am Anfang jeder Trainingseinheit gefördert.

 

Aus dem Jiu Jitsu entwickelten sich im Laufe der Zeit weitere Kampfkünste, durch besondere Betonung auf einzelne Aspekte des Gesamtsystems Jiu Jitsu oder durch Mischung mit anderen Kampfkünsten:

  • Jūdō ist ein wurflastiger Stil des Jiu Jitsu, der Anfang des 20. Jh. entstand. Kanō Jigorō entwickelte Jūdō als attraktive Kampfkunst für die moderne japanische Gesellschaft sowie als Nahkampfsystem für die Tokioter Polizei. Dabei handelt es sich um ein Extrakt aus dem Jiu Jitsu, welches sich vornehmlich aus Wurf-, Würge-, Hebel- und Haltetechniken zusammensetzt. In Europa herrscht das Wettkampfjudo vor, im traditionellen Judo von Kano hingegen gibt es weiterhin Schlag-, Stoß-, und Tritttechniken, außerdem wird Wert auf eine Ausbildung im Kuatsu (Kunst der Wiederbelebung) gelegt.
  • Beim Aikidō stehen ausladende, runde Bewegungen und Hebeltechniken im Vordergrund. Ueshiba Morihei entwickelte es vor allem aus dem Daitō-ryū Aiki-jūjutsu, das ihm von Sōkaku Takeda vermittelt wurde. Aikidō betont das Aufnehmen und Umkehren des Angriffs sehr stark.
  • Einige Karatedō-Ryū (jap. Stile) sind aus Einflüssen des Jiu Jitsu und Kung Fu entstanden und werden technisch durch Schlag-, Stoß-, Tritt- und Blocktechniken sowie Fußfeger charakterisiert. Sie beinhalten auch Würfe, Hebel, Bodenkampftechniken und Angriffe auf Nervendruckpunkte.
  • Deutsches Ju Jutsu ist ein junges, aus traditionellem Jiu Jitsu und vielen anderen Einflüssen zusammengesetztes System, das in Deutschland entwickelt wurde. Zur Abgrenzung vom Jiu Jitsu wird eine andere Transkription für dieselben Kanji benutzt.
  • In Brasilien ist das Brasilianische Jiu Jitsu sehr verbreitet, das eine Version des Jūdō mit Fokus auf den Bodenkampf darstellt.

Jiu Jitsu wird barfuß und in einem speziellen Anzug (jap. Keikogi) trainiert. Für Männer ist es unüblich, ein T-Shirt unter dem Keikogi zu tragen; Frauen hingegen haben das Recht – aufgrund anatomischer Gesichtspunkte –, ein Unterhemd/T-Shirt/Sport-BH unter dem Gi zu tragen. Beide Geschlechter tragen unter dem Gi Unterwäsche und bei Bedarf ein Suspensorium (Tiefschutz).

 

Das Jiu Jitsu-Training beinhaltet Aspekte, die besondere Kleidung notwendig machen. Die Kleidung (meist aus Baumwolle) muss so robust sein, dass sie nicht reißt, wenn an ihr gezogen wird, aber auch so flexibel, dass sich der Jiuka gut darin bewegen kann. Für das Jiu Jitsu-Training können robustere Judo-Anzüge, eher dünnere Karate-Anzüge und seit neuester Zeit auch spezielle Jiu Jitsu-Gis, z.B. mit Beinverstärkungen für Bodenkampf, getragen werden. Die einheitliche Trainingskleidung beim Jiu Jitsu besteht aus folgenden Elementen:

  • Keikogi – Ein Anzug (jap. Keikogi) in traditionell weißer Farbe – Farbe und Form können von Verband zu Verband unterschiedlich sein:
    • Zubon – eine an der Hüfte geschnürte Hose (jap. Zubon) mit Schnür- oder Elastikbund und
    • Uwagi – eine robuste Jacke (jap. Uwagi) oft mit leichter Schnürung innen, jedoch ohne Knöpfe oder Reißverschlüsse un 
  • Obi – ein farbiger, auf bestimmte Weise gebundener Gürtel (jap. Obi) hält die Jacke zusammen und zeigt anhand der Farbe den (Wissens-)Stand des Trägers an.

Im Dōjō beim Jiu Jitsu herrscht eine hierarchische Gliederung: die Lehrer (Sensei) und die Schüler.

Die Graduierung bzw. das Können im Jiu Jitsu wird durch die Farbe des Gürtels (jap. Obi) deutlich − was heute typisch für viele vor allem japanische Kampfkünste ist. Kanō Jigorō, Gründer des Kodokan-Judo, hat dieses System im 19. Jh. erstmalig verwendet. Vorher gab es kein Graduierungssystem nach Gürtelfarben in den Kampfkünsten aus Japan.

 

Generell wird in Schüler- (Kyu) und Meistergrade (Dan) unterschieden, wobei jedem Grad eine bestimmte Gürtelfarbe zugeordnet ist. Jeder fängt mit einem Weißgurt (6. Kyu bzw. 9. Kyu) an und unterzieht sich einer Gürtelprüfung, um zum nächsthöheren Gürtelgrad zu gelangen. Das Ablegen von Prüfungen dient vielfach als Ansporn und Bestätigung des Erreichten, ähnlich wie in vielen anderen Bereichen des Alltages.

 

In Abhängigkeit vom angestrebtem Kyu- oder Dan-Grad werden das Prüfungsprogramm und die Wartezeit – vom jeweiligen Verband – festgelegt. In der Prüfung selbst wird auf viele Teilaspekte geachtet. Dabei wird neben der dynamischen und korrekten Technikausführung auch auf Haltung, Aufmerksamkeit, Kampfgeist, Konzentration und Willen des Prüflings Wert gelegt. Für ein Bestehen werden auch weitere Werte, wie die Einstellung, das regelmäßige Erscheinen beim Training, die Pünktlichkeit etc. beachtet, so dass letztendlich der Gesamteindruck entscheidet.

 

In der Jiu-Jitsu Union NW (JJU NW) gilt eine sechsstufige Unterteilung der Schülergrade:

 

Kyu-Grad 6. Kyu 5. Kyu 4. Kyu 3. Kyu 2. Kyu 1. Kyu
Gürtelfarbe weiß gelb orange grün blau braun

 

Die Aufteilung in zehn Meistergrade ist allgemein üblich bei japanischen Kampfkunst- bzw. Kampfsportarten. Für die Meistergrad-Prüfungen gibt es festgelegte Kriterien und Prüfungsprogramme – ebenfalls von Verband zu Verband unterschiedlich. Der technische Anteil der Danträger (有段者, Yūdansha, wörtlich „Person mit Dan“) wird dabei freier, so dass die Prüflinge ihre Repertoire von Abwehrtechniken selbst erarbeiten müssen, und der theoretisch-philosophische Prüfungsanteil erhöht sich erheblich. Dabei ist – in den meisten Verbänden – die Prüfung zum fünften Dan die letzte technische Prüfung, die abgelegt werden kann, und weitere Graduierungen werden für außergewöhnliche Leistungen im bzw. für den Verband verliehen.

Dem ersten bis fünften Dan entsprechend werden schwarze Gürtel getragen, wobei zur Unterscheidung Streifen − deren Anzahl dem jeweiligen Dan-Grad entspricht – auf den Gurt genäht werden können. Der sechste bis achte Dan werden durch einen rot-weißen Gurt sichtbar und der neunte und zehnte Dan durch einen roten Gürtel.

Dan-Grad 1. Dan 2. Dan 3. Dan 4. Dan 5. Dan 6. Dan 7. Dan 8. Dan 9. Dan 10. Dan
Gürtelfarbe schwarz schwarz schwarz schwarz schwarz rot- rot- rot- rot rot
weiß weiß weiß

 

Quelle: Wikipedia


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